Das Thema Personal Branding handelt von Selbstvermarktung, Selbstdarstellung, von Zielen, Strategien und Chancen. Personal Branding zielt auf Erfolg ab, versteht sich als ein heutiges wichtiges Mittel, die eigenen Karriereträume zu realisieren. Doch: Soll es im Leben wirklich immer nur um Erfolg gehen? Sollen sich die eigenen Gedanken immer nur um mögliche Aufstiegschancen und steigenden Gewinn drehen? Tatsächlich ist Personal Branding an ein ausgeprägtes Erfolgsdenken geknüpft. Doch die Frage ist, wie und von wem dieser Erfolg definiert wird.
Die Strategien rund um die berufliche Selbstvermarktung und professionelle Eigendarstellung entspringen nämlich vor allem einem Kern: Es geht um Selbstverwirklichung. Gemeint ist damit die Umsetzung eigener Wünsche und Träume, die Verwirklichung eigener Ziele, die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und des eigenen Wesens. Das heißt nicht, dass diese Ziele und Wünsche den Erwartungen anderer oder universellen Vorstellungen entsprechen müssen, sondern vor allem die eigenen Sehnsüchte stillen sollen. Erfolg ist also ein sehr individueller Begriff.
Kommt da noch was? Karriereverweigerung als Antwort
Dementsprechend erfrischend sind die Geschichten, in denen es zwar auch um Erfolg geht, aber um Erfolg als persönlicher Triumph, als Empfindung innerer Zufriedenheit, als geglückte Sinnsuche verstanden wird. Karriereverweigerer – kann man diese Menschen fast schon schimpfen, die nicht nach dem perfekten Lebenslauf streben, sondern nach dem Lebenslauf, der individuell und überraschend ist. Deswegen soll er nicht weniger lukrative, weniger interessante und schon gar nicht weniger leidenschaftliche Berufserfahrungen aufzeigen, im Gegenteil: es geht um die beruflichen Tätigkeiten, die dem eigenen Tun wirklich Sinn geben. Denn ohne dieses Gefühl, entstehen Zweifel, Demotivation, schließlich Antriebslosigkeit, Versagen.
Ein Richtungswechsel als Chance
Um das zu verhindern, hilft es manchmal auszusteigen, umzusteigen oder neu einzusteigen – in ein Leben, das nicht nur auf eine Richtung ausgelegt ist. In einen Alltag, in dem es nicht nur um Leistung geht. In eine neue Lebensphase, die nicht von Ehrgeiz, sondern von eigenen Zielen und persönlich relevanten Erfahrungen geprägt ist.
Wer sucht, der findet genügend Beispiele dieser Karriereverweigerer. Alix Faßmann hat Anfang des Jahres im Spiegel davon berichtet, wie es ihr damit erging, einfach mit dem aufzuhören, was großartig klingt, aber für sie nicht großartig war. Denn die Journalistin hatte dies, was andere als beste Karriere-Chancen bezeichnen würden: Abitur, Au-pair, Studium, Volontärin, Onlineredakteurin. Und dann? Zu viel, zu früh, zu schnell? Die „Top-Karriere“ vor den Augen und doch den Blick dafür verloren. Sie steigt aus, kündigt den gut bezahlten Job, reist ein Dreivierteljahr mit einem Wohnmobil von Florenz über Neapel nach Palermo – in geringem Tempo natürlich, denn jetzt läuft alles ein bisschen entschleunigt für sie. Als Ergebnis dieser Reise steht das Buch: Arbeit ist nicht unser Leben: Anleitung zur Karriereverweigerer. Zurück in Berlin sucht sie sich einen „ehrlichen Arbeitsplatz“, bei dem sie gute Arbeit leisten wollte, ohne dafür brennen zu müssen. Ihr alter Chefredakteur lässt sich darauf ein. Für Alix Faßmann ist die Arbeit beim Berliner Kurier ein Job, dem sie „ohne Ambitionen“ nachgeht, bis der befristete Vertrag ausgelaufen ist. Heute übernimmt sie Einzelaufträge als freie Journalistin.
Ausstieg als Revolution und das Haus Bartleby
Zusammen mit dem Theaterdramaturgen Anselm Lenz hat Faßmann das Zentrum für Karriereverweigerer gegründet, das Haus Bartleby. „Wir begreifen uns als Forschungsgruppe, als Netzwerk der Ausstiegswilligen“, sagt Faßmann. Nach dem Wirtschaftwunder der Fünfziger braucht es heute ein „Erkenntniswunder“, angetrieben von Muße statt Fleiß. Ihre Reise und die damit verbundene Pause haben ihr gezeigt: „Keine Angst zu haben und sich sein Leben nicht zur Jobhölle machen zu lassen, ist das Coolste und Revolutionärste, was uns heute möglich ist”. Mit der Gründung von Haus Bartleby und der Veröffentlichung ihres Buches zeigt die Journalistin, dass sie von ihrer Kreativität, ihrem Geschäftsinn und ihrem Tatendrang nichts verloren hat, sie lebt diese Eigenschaften heute nur anders aus.
Wüste oder Wattenmeer
Einmal innehalten, nachdenken, den Rückzug in die Natur suchen: Dann kann man erkennen, wofür das Herz wirklich schlägt, dann lernt man die eigenen Bedürfnisse zu definieren und die Erwartungen anderer von den eigenen zu trennen. Ein Ausstieg muss nicht immer ein „One-Way-Ticket“ bedeuten, es kann auch die einzig wahre Möglichkeit sein, richtig, glücklich, sagen wir erfolgreich durchzustarten.