Sind wir im wahren Leben, also Offline, genau so wie Online?

Wer große Nachrichtenseiten wie Spiegel Online, Tagesschau, FAZ oder andere aufmerksam verfolgt weiß: In den Kommentaren tun sich teilweise unglaubliche Abgründe auf. Besonders jetzt in der Zeit der Pandemie. Bei manchen Kommentaren stellt sich unwillkürlich die Frage: Ist die Person im “wahren Leben” – also offline, im persönlichen Umgang – auch so? Die Antwort lautet meist: Hoffentlich nicht.

Das eigentlich erschreckende ist jedoch: Viele unterirdische Kommentare werden nicht unter Pseudonym, sondern unter Klarnamen abgegeben. Bei solchen Kommentaren frage ich mich dann immer, ob die Verfasser sich über die Auswirkungen ihrer Kommentare im Klaren sind. Ich vermute, das ist nicht der Fall. Denn würden sie sich über die Signalwirkung Gedanken machen, kämen viele Kommentare wahrscheinlich nicht zustande.

Daher will ich heute sensibilisieren. Sensibilisieren für die Rückschlüsse, die Kommentare auf eine Person zulassen und für die Wirkung, die unbedachte Kommentare auf die eigene Personenmarke haben können.

Online Kommentare wirken offline nach

Das überstrapazierte Beispiel des Arbeitnehmers, der einen unpassenden Kommentar abgibt und dadurch Ärger mit seinem Chef bekommt, will ich hier gar nicht bemühen. Dieser Zusammenhang zwischen Kommentar und Wirkung ist offensichtlich.

Nicht ganz so klar ist er allerdings bei Führungskräften, die in den sozialen Netzwerken ebenfalls privat – und meist unter ihrem Realnamen – aktiv sind. Doch welche Wirkung hat es beispielsweise, wenn ein CEO unter einem Kommentar zum Lokführerstreik sein Unverständnis in deutlichen Worten zum Ausdruck bringt?

Zunächst keine negative, im Gegenteil, Mitarbeiter, die diesen Kommentar lesen, werden ihrem Chef vielleicht sogar zustimmen und seine Verärgerung teilen. Doch was, wenn kurz danach im Unternehmen Tarifverhandlungen oder Gespräche mit der Gewerkschaft und dem Betriebsrat anstehen. Ist dann immer noch Verständnis für die Reaktion des CEOs vorhanden? Oder führt der Kommentar zu einer vorsichtigen Haltung der Gesprächspartner, die Verhandlungen und Gespräche schwierig macht?

Selbst wenn Online Kommentare keinen direkten Einfluss auf Gespräche oder Kontakte haben, sind subtile Auswirkungen über kurz oder lang spürbar:

  • Vertreten Sie in Kommentaren regelmäßig andere Standpunkte als in Artikeln, wird früher oder später die Frage nach Ihrer Glaubwürdigkeit gestellt.
  • Positionieren Sie sich durch Kommentare online ganz anders, als im persönlichen Gespräch, ist Glaubwürdigkeit ohnehin kein Thema mehr.
  • Lassen Ihre Kommentare nachvollziehbare Argumente und fundierte Informationen vermissen, färbt dieser Eindruck natürlich auf Ihre sonstige Kommunikation ab. Ihre Kompetenz wird dann in Frage gestellt.
  • Verstoßen Sie in Ihren Kommentaren gegen Ihr sonst propagierten Regeln – oder ignorieren Sie Ihre kommunizierte Werte – hinterlässt das zumindest einen schalen Nachgeschmack.

Das Pseudonym als Freibrief?

Viele Nutzer scheinen den Zusammenhang zwischen online Kommentaren und offline Wirkung zumindest zu ahnen. Anders lässt sich die große Zahl der pseudonym abgegebenen Kommentare nicht erklären. Pseudonyme können dabei als Maske dienen, hinter der sich Nutzer verstecken. Unter der virtuellen Identität lassen Sie dann ihrem Unmut freien Lauf und verfassen Kommentare, die sie unter ihrem Realnamen nie schreiben würden.

Doch Pseudonyme sind keineswegs nur kritisch zu sehen, für online Communitys und Seiten sind sie sogar lebensnotwendig. Wie eine Studie von Disqus zeigt, steuern Nutzer unter Pseudonymen die meisten Kommentare bei.

Die quantitative Übermacht ist wenig überraschend, erstaunlich ist jedoch, dass pseudonym abgegebene Kommentare laut der Studie auch qualitativ hochwertig sind und Diskussionen inhaltlich weiterbringen und bereichern.

Die Zahlen zeigen, dass Pseudonyme durchaus ihre Berechtigung haben können. Positionieren Sie sich jedoch aktiv als Personenmarke, kann ein Pseudonym nur dann funktionieren, wenn Sie es in Ihrer gesamten Kommunikation und Personenmarke als eine Art Künstlername nutzen und aktiv einsetzen.

Wollen Sie das nicht, empfehle ich Ihnen, auf ein Pseudonym zu verzichten und unter ihrem Realnamen zu kommunizieren und zu kommentieren. Machen Sie sich bitte bewusst, dass Ihre Kommentare Teil Ihres Personal Brandings sind. Nur wenn Ihre Kommentare, Ihre Artikel und Ihr persönliches Auftreten zusammenpassen und Sie auf allen Kanälen authentisch kommunizieren, können Sie sich als Experte positionieren und das Vertrauen Ihrer Netzwerkpartner gewinnen.

Authentizität und Glaubwürdigkeit sind – neben Kompetenz – die Währung des Personal Brandings und starker Personenmarken. Ihre Kommentare können auf Ihr Authentizitäts-Konto einzahlen oder Ihre Glaubwürdigkeit schädigen, das liegt ganz bei Ihnen. Ich empfehle Ihnen, sich vor einem Kommentar drei Fragen zu stellen:

  1. Würde ich das auch im persönlichen Gespräch sagen?
  2. Stehe ich auch dann noch zu dieser Aussage, wenn sich meine erste emotionale Reaktion gelegt hat?
  3. Will ich diese Aussage öffentlich mit mir in Verbindung bringen?

Wenn Sie auch nur eine dieser Fragen mit nein beantworten, sollten Sie auf den Kommentar verzichten. Er würde Ihnen sonst schaden und Ihre Personenmarke schwächen.

Bitte versucht Freude und Freundlichkeit im Social Media, besondern jetzt in der Zeit von Corona, zu leben.

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