„Immer mehr Beschäftigte werden wegen Äußerungen in sozialen Netzwerken abgemahnt oder sogar entlassen. Die Klagen an den Arbeitsgerichten steigen“, heißt es in der Sonntag Aktuell-Ausgabe vom 16.11.2014. So lautet das Ergebnis einer Umfrage dieser Zeitung bei den neun Arbeitsgerichten in Baden-Württemberg, die sich auf die Zahlen des vergangenen Jahres bezieht. „Zu den häufigsten Kündigungen gehören Beleidigungen gegenüber dem Arbeitgeber oder Krankmeldungen von offensichtlich gesunden Arbeitnehmern“, fasst die Zeitung weiter zusammen. Diese Angaben zum Nutzungsverhalten der Netzwerkuser und der daraus entstehenden Konsequenzen stehen für komplexere Prozesse und Entwicklungen, als es auf den ersten Blick scheint, denn sie verdeutlichen sehr unterschiedliche Aspekte rund um das Thema soziale Netzwerke, Online-Kommunikation und neue Medien.
Vier von fünf Internetusern sind Mitglied in sozialen Netzwerken und zwei Drittel nutzen diese auch aktiv – gibt der Hightech-Verband BITKOM an, der regelmäßige Studien zur Verbreitung sozialer Netzwerke durchführen lässt. Die hohe Anzahl der Nutzer könnte nun auf eine weitverbreitete und fundierte Medienkenntnis schließen lassen, doch das ist ein Irrtum, wie uns die Schlagzeile der Sonntag Aktuell vor Augen führt. Sich für ein soziales Netzwerk zu registrieren, Kontakte zu knüpfen und zu pflegen, setzt keine großen Kenntnisse im Umgang mit den digitalen Medien voraus, allenfalls die üblichen PC- Grundkenntnisse und die Verwaltung eines E-Mail-Kontos. Damit steht der unkomplizierten Nutzung einer solchen Plattform nicht viel im Wege, zumal die Anmeldung meist kostenlos und damit sehr schnell durchgeführt werden kann. Die Problematik beginnt also erst nach der Registrierung, wenn die Nutzung wirklich aktiv betrieben wird. Es stellen sich in der Praxis dann bestimme Fragen, die vorher nicht immer ausreichend bedacht wurden. Denn, wer wird eigentlich kontaktiert? Freunde, Bekannte, Verwandte oder auch Fremde, deren Profil mir zusagt? Welches Ziel verfolge ich jeweils mit meiner Kontaktaufnahme? Wie reagiere ich auf Einladungen, die mir vielleicht auch unbekannte Personen senden? Wie viel Zeit möchte ich mit dieser Online-Aktivität verbringen? Welche Anliegen kläre ich über das Internet und welche Inhalte bespreche ich persönlich mit meinen Gesprächspartnern? Welche Details gebe ich von mir preis? Möchte ich authentisch, persönlich und ansprechend für andere wirken oder dient das Konto nur der Kommunikation mit ohnehin bekannten Menschen? Auch dieser Aspekt befasst sich letztlich mit der Frage, welche Absicht dahintersteht, welches Ziel mit dem Netzwerk erreicht werden möchte.
Man könnte an dieser Stelle nun abwinken und behaupten, dass sich diese Sachverhalte durch die Nutzung im Alltag quasi von selbst regeln und sie keiner genaueren Planung oder Vorabüberlegung bedürfen. Aber genau sie sind doch die relevanten und wichtigen Punkte, wenn es um die Darstellung im Internet geht. Denn: Die Online-Präsentation wird in vielen Fällen zu unbedarft und zu unreflektiert gehandhabt und verursacht dadurch negative Erfahrungen oder unangenehme Konsequenzen. Würden die persönlichen Anliegen vorab geklärt und Absichten und Ziele der Online-Nutzung definiert, käme es sicherlich nicht zu einer solch großen Zunahme an Klagen an den Arbeitsgerichten. Arbeitnehmer wären in vielen Fällen wohl umsichtiger bei ihrer Wortwahl und öffentlich geführte Gespräche unter „Freunden“ würden in einem bestimmten Rahmen abgehalten, dass sie bei späteren Bewerbungsverfahren – sofern es dazu überhaupt kommt – nicht das Ausschlusskriterium für ein zukünftiges Beschäftigungsverhältnis darstellen. Nein, die User wären vorsichtiger und differenzierter und viele von ihnen, das ist nun die gute Nachricht, sind dies bereits auch. Viele Menschen haben bereits Lernprozesse mit den neuen Medien durchlebt, Grenzen ausgelotet, zugeschaut und selbst ausprobiert. Deshalb haben sie einen wesentlichen Aspekt verstanden, der zwar sehr banal klingt, jedoch elementar für den Umgang mit digitalen Kanälen ist: Online-Aktivitäten wirken sich auf das reale Leben aus. Offline und online stehen in einer Art Wechselwirkung zueinander und beeinflussen sich gegenseitig. Sie können nicht voneinander getrennt betrachtet werden. Diese Erkenntnis hat sich in der Mehrheit der User-Köpfe etabliert. Und trotzdem lehrt uns die Schnelllebigkeit der digitalen Medien immer wieder aufs Neue, dass wir uns flexibel, schnell und regelmäßig mit aktuellen Herausforderungen und Fragen auseinandersetzen müssen, um weiterhin zu lernen, zu verstehen und zu verbessern. Die Facebook-Falle, wie sie im eingangs genannten Artikel tituliert wird, zeigt, dass sich unsere ganze Gesellschaft im privaten Alltag, aber vor allem auch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerwelt neu einstellen muss. Rein arbeitsrechtliche Sachverhalte müssen geklärt werden. Ist die private Internetnutzung grundsätzlich bei meinem Arbeitgeber erlaubt? Wenn ja, in welcher Form? In welchem zeitlichem Ausmaß? Inwieweit darf ich mich öffentlich über meinen Arbeitgeber äußern? Hinzu kommen persönliche Faktoren, z.B., wie gehe ich mit Frust und negativen Erlebnissen um? Nutze ich die Kommunikation über das Internet, um diese Gefühle loszuwerden? Möchte ich das Internet in diesem Punkt vielleicht auch als Mittel zum Abreagieren oder gar als Drohmaßnahme missbrauchen? Auf Seiten des Arbeitgebers stellt sich gleichzeitig die Frage, wie man mit der privaten Darstellung der Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit umgehen möchte. Wie werden die Meinungsfreiheit der Mitarbeiter und die Loyalität der Firma gegenüber miteinander vereinbart? Diese Punkte haben häufig juristische Relevanz. Deshalb ist eine Fachberatung notwendig, um Richtlinien zur Nutzung von sozialen Netzwerken zu erstellen und den Umgang mit Äußerungen der Mitarbeiter vertraulichen oder öffentlichen Charakters zu klären.
Das Phänomen Facebook und die Schlagzeilen, die mit der Nutzung sozialer Netzwerke verbunden sind, zeigen auch, dass gerade die negativen Erlebnisse und Zahlen in der Öffentlichkeit hervorgehoben werden und damit ein schlechtes Licht auf die gesamte Bandbreite der Online-Kommunikation geworfen wird. In diesen Fällen werden soziale Netzwerke von vielen Menschen als unnütz, neumodisch und unseriös wahrgenommen und alle User als oberflächig bis hin zu kindisch abgestempelt. Dass Facebook bei dieser Negativ-Berichterstattung fast immer an erster Stelle steht, hat nicht nur damit zu tun, dass es das größte soziale Netzwerk weltweit darstellt und mittlerweile sehr öffentlich im Fokus bei Datenschutz-Diskussionen steht, sondern auch, dass Facebook ein soziales Netzwerk ist, das nahezu ausschließlich der privaten Nutzung dient. Denn mit dem größer werdenden Angebot an sozialen Netzwerken ist auch eine Differenzierung auf Seiten der User hinsichtlich der Nutzung möglich, die z.B. eine private und berufliche Kommunikation unterscheidet und, damit verbunden, unterschiedliche Absichten, die mit den jeweiligen Plattformen und Diensten verfolgt werden können. An dieser Stelle sind wir an einem ganz entscheidenden Punkt, der intensiv diskutiert werden sollte. Wenn Facebook als Kommunikationsmethode zum privaten Austausch dient, sollten Arbeitgeber dem User mehr Freizügigkeit und Privatsphäre gönnen und das Netzwerk nicht zum Ausspionieren pikanter Details ausnutzen wollen. Gleichfalls sollten User bestimmte Grenzen des Anstands immer wahren – unabhängig in welcher Situation und mit welchem Gesprächspartner sie sich befinden – und beruflich relevante Inhalte in diesen Portalen schlicht aussparen, um eventuelle Probleme oder unbeabsichtigte Missgeschicke zu vermeiden. So oder so sollte man das Internet nie zum Schlachtfeld persönlicher Befindlichkeiten oder impulsiver Handlungen verkommen lassen, denn die Konsequenzen können weitreichend sein – nicht nur für die Opfer, sondern auch für die Täter selbst.
Wie lautet also das Fazit? Auf jeden Fall möchten wir „Ja“ zu sozialen Netzwerken sagen. Unternehmen sollten sich öffnen und einen akzeptablen Rahmen zur Nutzung dieser Plattformen schaffen und eine freie, eigene und öffentliche Darstellung ihrer Mitarbeiter begrüßen. Gleichzeitig müssen sich die User an bestimmte Regeln halten und lernen, das Eine (privat Inhalte) vom Anderen (berufliche Inhalte) zu trennen und nur klar definierte Ziele mit einer Online-Kommunikation verfolgen. Denn im Grunde geht es am Ende doch auch hier um die eigene Vermarktung, die eigene Darstellung im Internet und wie diese genau aussehen soll. Denn eine Registrierung bei einem sozialen Netzwerk ist bereits ein erster Schritt, die eigene Außendarstellung zu gestalten und die Öffentlichkeit zu suchen. Doch die Welt der Online-Kommunikation ist so viel mehr als Facebook. Wer all die heutigen Mittel der Eigenvermarktung beruflich nutzen möchte, kann sich durch ein strategisches und seriöses Vorgehen, durch Personal Branding, sehr erfolgreich etablieren und die daraus entstehenden Vorteile nutzen. Die Positionierung von denjenigen Menschen im Internet, die sich für die Vermittlung von Werten und Wissen einsetzen, ist dann wiederum auch für das Unternehmen profitabel. Denn soziale Netzwerke sind eine gute Chance, Menschen zu erreichen, Inhalte zu verbreiten und stellen damit einen großen Gewinn für die Gesellschaft dar. Doch diese positiven Seiten stehen noch immer im Schatten der Negativ-Berichterstattung. Es ist Zeit, sich davon zu lösen und gute Gegenbeispiele zu liefern.
Auch Facebook reagiert mittlerweile auf aktuelle Entwicklungen und plant Facebook at work. Eine Unternehmensplattform, die für die berufliche, interne Kommunikation genutzt werden soll. Ob dies der Versuch ist, ein neues Image aufzubauen und eine seriöse, professionelle Richtung einzuschlagen oder doch nur ein neuer Weg, noch mehr Dominanz, Macht und Einfluss zu erlangen, wird sich in Zukunft zeigen. Doch wir alle werden daran teilhaben. Ob als User, als Fan, als Verweigerer oder Kritiker und wir alle haben unsere Gründe dafür.