Angela Merkel: Wie die mächtigste Frau die Welt überzeugt

Angela Merkel: Wie die mächtigste Frau die Welt überzeugt
Angela Merkel - Die Europa-Retterin|© 360b / Shutterstock.com

Seit gestern schwirrt das Titelbild der aktuellen Time-Ausgabe durch alle sozialen Netzwerke. Der US-Präsident Barack Obama persönlich hat Bundeskanzlerin Angela Merkel zu ihrer Auszeichnung als „Persönlichkeit des Jahres“ durch das US-Magazin gratuliert. Bereits vor einigen Wochen las ich bei meiner morgendlichen Zeitungslektüre, dass unsere Kanzlerin ihr 10-jähriges Amtsjubiläum feiert. Zuvor hatte das New Yorker Wirtschaftsmagazin Forbes Merkel im fünften Jahr in Folge auf Platz eins der Rangliste der 100 einflussreichsten Frauen gesetzt. Die brisante Neuerung in diesem Jahr: Angela ist erstmals mächtiger als der US-Präsident. Nur Russlands Präsident Wladimir Putin wird noch vor ihr gelistet.

Ich dachte einen Moment zurück an die Frau, die sie in ihren ersten Amstjahren für mich war. Die mit der ernsten Miene, den hängenden Mundwinkeln. Die Frau, der man allzu oft vorgeworfen hat, sie würde Probleme bloß aussitzen, anstatt sie anzupacken. Das Mädchen aus dem Osten mit der unverkennbaren stoischen Ruhe, dem Pragmatismus, kinderlos, verwachsen mit einer Geste, die weltbekannt ist.

Vielleicht steht die „Merkel-Raute” in diesem Fall nicht nur für Stabilität und versinnbildlicht die neue alte Macht der Kanzlerin. Sie symbolisiert gleichsam, dass erfolgreiche Politiker immer auch unverwechselbare Marken sein müssen. Für das Herausbilden unserer eigenen Personenmarke können wir uns demnach einiges von ihnen abschauen.

 

Warum Europa auf ihr Kommando hört

Ihr entschiedenes und konsequentes Handeln im Hinblick auf die griechische Schuldenkrise und die Flüchtlingswelle haben Angela Merkel laut Forbes nicht nur Respekt und Wertschätzung eingebracht. Auch die Zweitplatzierung auf der Liste der mächtigsten Menschen der Welt ist hierauf zurückzuführen.

Der Einfluss der Marke Merkel ist deshalb so interessant, weil er nicht nach dem gängigen Muster funktioniert. Üblicherweise geht es auch in der Politik um den ersten Eindruck der Person. Dieser steht weit über jedem Sachthema. Was sind Politiker? Menschen wie du und ich, die ein enormes Maß an Verantwortung tragen. Wir bewerten Politiker daher unbewusst auch zunächst immer nach völlig unpolitischen Kriterien.

Wer soll dein Kapitän sein? Das intuitive Wahlverhalten

Die Forscher John Antonakis und Olaf Dalgas von der Universität Lausanne haben eine Studie durchgeführt und im Fachjournal „Science“ veröffentlicht. Sie belegen hierin, dass unser Wahlverhalten vor allem eines ist: intuitiv.

Offenbar bewerten wir die Kompetenz eines politischen Kandidaten anhand von Mustern, die wir bereits in der Kindheit ausgebildet haben. Kinder sollten bei einem spielerischen Experiment anhand von Politiker-Portraitfotos einen Kapitän für ihr Schiff aussuchen. Resümierend hielten die Forscher fest, dass ein optisch ansprechendes Gesamtbild ausschlaggebend für die Entscheidung ist. Bei Erwachsenen hielten die Forscher bei eben diesem Test ergänzend fest: Leistungsbasierte Informationen, die abgewogen werden sollten, ändern kaum etwas an dem intuitiven Ersteindruck.

Bezogen auf Frau Merkel lässt sich festhalten, dass kein deutscher Regierungschef so sehr vor dem Amtsantritt unterschätzt wurde. Ihr Erfolgsrezept liegt fernab von jedem Schönheitsideal und zeichnet sich vielmehr durch Akribie und Standhaftigkeit aus. Ihr entschlossenes „Wir schaffen das“ nimmt man einer solchen Persönlichkeit ab.

Dass eine gewisse Portion Charisma allerdings durchaus zu Erfolg verhelfen kann, zeigt kein Politiker so plastisch wie Barack Obama. Der US-Präsident versteht es besonders, die Menschen mit Geschichten aus seinem eigenen Leben abzuholen. Nicht zu den Menschen, sondern mit diesen zu sprechen – ein Sympathie-Garant. Obama hat übrigens den Mann zum Vorbild, der mit einem weiteren wichtigen Erfolgsfaktor regelrecht verschmolzen ist. Die Marke Nelson Mandela steht selbst über den Tod der Friedensikone hinaus als Symbol für Freiheit und eine Politik der Versöhnung. Selbstlos brachte er das größte Opfer überhaupt. Seine eigene Freiheit ordnete er während der Apartheit in Südafrika bedingungslos der anderer unter.

Welche Charaktereigenschaften können wir uns von Politikern abschauen?

Konrad Adenauer sagte einmal, dass Stärke nie Selbstzweck, sondern immer nur Mittel zum Zweck sein dürfe. Für welche höheren Ziele auch immer man seinen Einfluss nutzen möchte, fest steht: Einfluss und Stärke sind Bedingungen für Erfolg. Auf der Sachebene sind es die folgenden vier Eigenschaften, die eine erfolgreiche und vertrauenswürdige (Politiker)-Persönlichkeit ausmachen:

1. Ehrlichkeit – Wahrheiten aussprechen, die andere nur denken

Mangelnde Ehrlichkeit ist ein häufiger Vorwurf gegenüber Politikern. Eine Frau hatte im Jahr 2012 den Mut, sich nicht der Phrase hinzugeben, die Euro-Krise sei ausgestanden. Im Gegenteil: Als viele internationale Amtskollegen das Schlimmste bereits hinter sich sahen, sprach Angela Merkel offen aus, dass Europa noch einen „langen, schmerzhaften Prozess“ vor sich habe. Weiterhin sei noch über Jahre mit sehr, sehr hoher Arbeitslosigkeit zu rechnen, prophezeite sie – und behielt Recht, wie man heute weiß.

2. Verantwortungsbewusstsein – Große Geste für den Bürger und die Welt

An dem Verantwortungsbewusstsein Willy Brandts für den Bürger kann man dessen Erfolg und Beliebtheit eindeutig festmachen. Als erster sozialdemokratischer Bundeskanzler (1969-74) fühlte er sich für den „kleinen Mann“ verantwortlich. Er führte das Bafög ein und sorgte für betriebliches Mitbestimmungsrecht für Arbeitnehmer und auch im Bezug auf das Verhältnis Vermieter-Mieter. Außenpolitisch ging Brandts Kniefall im früheren Warschauer Ghetto um die Welt – eine große Geste, für die er als bislang einziger Deutschen im Jahr 1971 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde.

3. Durchsetzungsvermögen – Das Richtige tun, um jeden Preis, basta!

Merkels Vorgänger war in gewisser Hinsicht das Gegenteil der heutigen Bundeskanzlerin. „Kaschmir-Kanzler“ und „Medien-Kanzler“ sind nur zwei Namen, die man Gerhard Schröder gab. Doch die Agenda 2010 setzte er auch gegen große Widerstände in der eigenen Partei durch und bewies Konsequenz. Die Agenda kostete ihn zwar schlussendlich 2005 sein Amt. Dennoch belegen zahlreiche Untersuchungen, dass das Alpha-Tier Schröder, der lästige Diskussionen allzu oft mit einem „Basta“ beendete, Deutschland durch die Reform des Sozialsystems und Arbeitsmarktes einen großen Dienst erwiesen hat.

4. Krisenmanagement – Prinzipientreue politisch und persönlich wahren

Eine Krise stellt die härteste Probe für einen Politiker dar. Im Falle eines gekonnten Managements kann dieser allerdings langfristig hiervon profitieren. Helmut Schmidt meisterte bereits als Hamburger Innensenator eine harte Probe mit Bravour: Während der Sturmflut 1962 machte er sich einen Namen als „Mann der Tat“. Als Kanzler beschloss er dann im Zusammenhang mit der Schleyer-Entführung durch die RAF, dass der Staat unter keinen Umständen erpressbar sein dürfe. Dass es keinen Austausch gegen eine entführte Person geben dürfe, hielt er konsequenterweise auch für sich selbst und seine Frau Loki fest.

Erfolg: Ein Drahtseilakt zwischen Beständigkeit und Wagnis

Zurück zu Frau Merkel, die sich vom ostdeutschen Mauerblümchen und „Kohls Mädchen“ zum „Rückgrat Europas“ gemausert hat. Was können wir alle aus dem Wertekatalog der Politiker und dem Erfolg dieser Frau lernen? Zunächst Folgendes: Niemand geht in ein Café, wenn der Kaffee dort jeden Tag anders schmeckt. Ebenso traut der Mensch auch keiner wankelmütigen Persönlichkeit. Wir erwarten gleichbleibende Qualität, Verlässlichkeit, Beständigkeit und die konstante Verkörperung von Werten. Merkels Wort hat aus diesem Grund Gewicht. Europa hört auf dieses Wort, auch wenn nicht jeder gerne die Botschaft versteht. Manchmal scheint es wichtiger zu sein, seiner Linie treu zu bleiben – auch wenn man dafür mitunter Kritik einstecken muss. Eine ergänzende Aussage der Kanzlerin hierzu lautet: „Politik heißt nicht, ständig nach dem Wetterhahn auf dem Dach zu schauen, sondern seine Überzeugungen umzusetzen.“ Genau das sollte auch bei der Ausbildung einer eigenen Personenmarke immer der Antrieb sein.

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